MYSTIK
Mystik beschreibt die Kunst, Menschen in das Geheimnis ihres eigenen Lebens, der Welt und zugleich Gottes hineinzuführen.
In uns Menschen liegt eine spürbare Sehnsucht.
Die Sehnsucht nach dem ganz Anderem, dem alles Übersteigenden, jenseits von Endlichkeit, Raum und Zeit.
Und gleichzeitig schwingt die Ahnung mit, dass alles schon da ist.
Das mag auf den ersten Blick paradox erscheinen und ist es auch.
Es gilt hier nicht Paradoxes zu entschlüsseln, sondern anzunehmen.
Mystiker sprechen von der Wirklichkeit Gottes:
Gott - als Wirklichkeit an sich.
Und als Geheimnis.
Wie kann der Einzelne zur Mystik gelangen?
Zweierlei ist jeweils überliefert:
1. Es gilt das Interesse und eine gewisse Reife oder man wird überrascht.
2. Es braucht Zeit oder man wird aus der Zeit entrückt.
3. Es braucht Geduld oder man wird angestoßen und geführt.
Obwohl heute eher Mystiker anderer Religionen
genannt werden,
ist in unserer Tradition bereits alles vorhanden.
Eine christliche Mystik
steht deshalb den Angeboten anderer Religionen
in nichts nach!
Auf der Suche nach einer mystischen Praxis für den heutigen Menschen wurde in den letzten Jahrzehnten eine Gebetsform entdeckt, die in der Kirche seit vielen Jahrhunderten praktiziert wird, im abendländischen Kulturbereich aber fast in Vergessenheit geriet.
Die Anfänge dieser Mystik reichen bis ins 3./4. Jahrhundert zurück, in die Zeit, als sich erste christliche Einsiedler in die Abgeschiedenheit der ägyptischen Wüste zurückzogen.
Die Erfahrungen der frühen Wüstenmönche breiteten sich später über den Berg Athos in Griechenland und vor allem
im ostkirchlichen Kulturraum aus.
Schlichtheit und Tiefe kennzeichnen diese Gebetsformen.
Zu Gebet und Meditation sagt schon der sogenannte Wüstenvater
Johannes Klimakus:
"Gedankenfülle im Gebet erzeugt Bildfülle und lässt den Geist zerfließen, während ein oft immer wiederholtes Wort den Geist sammelt.“
Namensgebete, Sätze, Worte und Silben sind universelle Gebete.
Ein altbekanntes christliches Gebet ist das sogenannte Herzensgebet.
Einige Varianten seien hier vorgestellt:
„Jesus Christus“
„Christus Jesus“
„Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner“
„Du in mir und ich in Dir“
Christliche Mystik greift den uralten Gedanken auf:
Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werde.
Der meditierende Mensch sitzt aufrecht und entspannt. Er versucht gesammelt und aufmerksam da-zu-sein.
Der Atem geht ganz von selbst und soll so gehen,
wie er gehen will.
Dabei wird innerlich ein Gebetswort wiederholt, das sich nach einiger Zeit wie von selbst mit dem Rhythmus des Atems verbindet.
Das Gebetswort hilft, mehr und mehr in der eigenen Mitte anzukommen;
innere Stille und tiefes Ruhen zu erfahren.
Während der Meditation versucht man die Gedanken nicht weiter zu beachten, sondern ruhig und vertrauensvoll offen zu sein für das,
was geschieht.
Der große Mystiker Meister Eckhart sagt:
"Gott gebiert seinen Sohn in dir, immer und in jeden Augenblick;
nur wir merken es nicht."
Wo sind mystische Erfahrungen möglich?
Überall und allezeit!
Doch bei allem gilt zu bedenken:
Mystische Erfahrungen sind immer Gottesgeschenk
und nicht selbst machbar.
Der Weg darin kann nur so verstanden werden,
sich bereit zu machen.
Große Mystiker bleiben „nüchtern“, selbstkritisch und warnen vor Fehldeutungen. Visionen werden von ihnen
mit großer Zurückhaltung gedeutet!
Meister Eckhart schweigt,
Nikolaus von Kues spricht von der gelehrten Unwissenheit.
Prüfstein für eine „Echtheit“ sind die Wandlung zum Gutem und
eine liebevolle Gelassenheit, die sich danach einstellen.